Judikat VwGH: Verfallene arbeitsrechtliche Ansprüche trotzdem Bestrafung nach LSD-BG

Sachverhalt:
Ein Arbeitgeber hat Arbeitnehmer im Sinne des § 7i Abs 5 AVRAG unterentlohnt und zwar wurde die Sonderzahlung nicht bezahlt (KV für Gastgewerbe Arbeiter). Dem Arbeitgeber wurden in Summe € 3.300,-- (3 Arbeitnehmer á € 1.000,-- plus Verfahrenskosten á € 300,--) vorgeschrieben. Gegen dieses Straferkenntnis wurde vom Arbeitgeber Beschwerde eingelegt.

Lt. Ansicht des Beschwerdeführers lag kein Arbeitsvertrag vor aufgrund dessen eine Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit ausgeübt wurde (die genauen Details sind dem Erkenntnis zu entnehmen). Weiters wurde vorgebracht, dass Vertragsverhältnisse vorlagen und Ansprüche auf allfälliges nicht bezahltes Entgelt jedenfalls vor der gesetzten ersten Verfolgungshandlung verjährt waren bzw verfallen waren und sie darauf keinen Anspruch mehr hatten. Dies ergibt sich aufgrund des von der Behörde herangezogenen Kollektivvertrages, wonach Ansprüche nach Beendigung des Dienstverhältnisses verfallen. In diesem Zusammenhang handelt es sich um den Gastgewerbekollektivvertrag. Bei wörtlicher Interpretation des Gesetzes lag daher ein zustehendes Entgelt - aufgrund Verfalls der Ansprüche - jedenfalls nicht vor.

Aussagen des LVwG:
Die zuletzt in der Literatur mehrfach vertretene Ansicht, dass Entgeltdifferenzen, die privatrechtlich verfallen und deshalb klageweise nicht mehr geltend gemacht werden können, keine strafbare Unterentlohnung iSd § 29 Abs 1 LSD-BG bzw § 7i Abs 5 AVRAG begründen, erweist sich als verfehlt. Bereits die Grundthese, die Strafbarkeit scheitere daran, dass auf Grund des privatrechtlichen Verfalls gar kein Anspruch mehr bestehe und folglich das Entgelt auch nicht (mehr) "gebühre", kann mit guten Gründen in Frage gestellt werden. Der OGH scheint nämlich inzwischen auf dem Standpunkt zu stehen, dass es sich beim Verfall um kein eigenes zivilrechtliches Rechtsinstitut, sondern lediglich um die Vereinbarung der Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist handelt.

Das hat zur Folge, dass auf sogenannte "Verfalls"- oder "Präklusiv"-fristen die allgemeinen Verjährungsregeln zur Anwendung kommen. Auch nach Eintritt des Verfalls bleibt somit eine Naturalobligation. Nicht der Anspruch selbst geht verloren, sondern bloß die Möglichkeit seiner Geltendmachung. Damit steht fest, dass auch nach Ablauf einer vereinbarten, kürzeren Verjährungsfrist das in Rede stehende Entgelt dem/der AN weiterhin "gebührt" bzw "zusteht". Die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit wegen Unterentlohnung nach dem LSD-BG sind demnach erfüllt.

Zusammengefasst kann also festgehalten werden, dass der privatrechtliche Verfall nicht auf die öffentlich­rechtliche Strafbarkeit nach dem LSD-BG durchgreift.

Die Revision ist unzulässig.

(siehe dazu ausführlich LVwG-1-439/2017-R7, 21.08.2017)

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