Beitragshaftung in der Sozialversicherung
Die NÖGKK beschäftigt sich in der NÖDIS 5/April 2014 mit der Frage der "Beitragshaftung". Nachstehend finden Sie die Info:
Die Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen ist von großer Bedeutung für die Finanzierung der gesetzlichen Sozialversicherung.
Im Bereich der Beitragseinbringung kommt ein breites Spektrum an Haftungen zur Anwendung. Unter dem Begriff "Haftung" ist ein "Einstehenmüssen für fremde Schuld“ zu verstehen: Jemand, der im Grunde die Beiträge nicht schuldet, wird dennoch zu deren Begleichung verpflichtet.
An Haftungsbestimmungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) existieren die Vertreterhaftung, die Betriebsnachfolgehaftung und die AuftraggeberInnenhaftung (AGH). Letztere wurde geschaffen, um dem Sozialbetrug in der Bauwirtschaft entgegen zu wirken.
Vertreterhaftung
Zweck der (in der Praxis am häufigsten auftretenden) Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG ist es, neben den Beitragsschuldnern auch deren gesetzliche Vertreter (z. B. Geschäftsführer einer GmbH, Vorstand einer AG) haften zu lassen, wenn die Beiträge beim Primärschuldner auf Grund schuldhafter Pflichtverletzung (Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen, Meldeverstöße, Ungleichbehandlung von Sozialversicherungsbeiträgen) nicht eingebracht werden können.
Eine andere Art der Vertreterhaftung enthält § 67 Abs. 3 ASVG. Die Intention des Gesetzgebers bei Schaffung dieser Bestimmung war es, sogenannte Scheingeschäftsführer und Scheingesellschafter ("Strohmänner") neben dem Dienstgeber für Beitragsschulden haftbar zu machen.
Betriebsnachfolgehaftung
Wird ein Betrieb übereignet, ist die sogenannte Betriebsnachfolgehaftung nach § 67 Abs. 4 bis 6 ASVG relevant. Demnach haftet der Erwerber eines Betriebes für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, und zwar zurückgerechnet für die Zeit von höchstens zwölf Monaten ab dem Tag des Erwerbes. Daneben bleibt jedoch die Haftung des Vorgängers bestehen.
Eine Minimierung des Haftungsrisikos ist vorgesehen, wenn sich der Betriebsnachfolger vor dem Erwerb beim zuständigen Versicherungsträger über einen allfälligen Beitragsrückstand erkundigt hat. In diesem Fall haftet der Erwerber nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand mitgeteilt wurde.
Keine Haftung entsteht bei einem Erwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens, bei einem Erwerb aus einer Insolvenzmasse oder im Wege der Überwachung der Schuldner durch Treuhänder der Gläubiger.
AuftraggeberInnenhaftung
Neben den Haftungstatbeständen nach § 67 ASVG wurde in den §§ 67a bis d ASVG (ab 1.1.2015 Erweiterung um § 67e) eine umfangreiche AuftraggeberInnenhaftung geschaffen. Nach dem Grundtatbestand des § 67a Abs. 1 ASVG haftet jedes Unternehmen, das einen Auftrag über Bauleistungen an ein anderes Unternehmen weitergibt, verschuldensunabhängig für alle uneinbringlichen Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen, die das beauftragte Unternehmen an den betreffenden Krankenversicherungsträger abzuführen hätte.
Die Haftung ist jedoch mit 20 % des geleisteten Werklohnes begrenzt und kann aus einem der folgenden Gründe entfallen:
- Der Auftragnehmer steht bei Bezahlung des Werklohnes auf der Liste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Liste) und kann damit bescheinigen, dass er zu den "vertrauenswürdigen" Beitragszahlern gehört.
- Der Auftraggeber behält 25 % des zu zahlenden Werklohnes ein und überweist diesen Betrag an das "Dienstleistungszentrum AuftraggeberInnenhaftung". Von diesen 25 % entfallen 20 % auf die Sozialversicherung und 5 % überweist das "Dienstleistungszentrum AuftraggeberInnenhaftung" an das Finanzamt. Dies befreit den Auftraggeber sowohl von der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge als auch für lohnabhängige Abgaben. (Vgl. dazu Derntl in Sonntag (Hrsg), Kommentar zum ASVG, 3. Auflage, 2012; Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Kommentar, 2012; Bartos, Praxisleitfaden Auftraggeberhaftung, 2010.)
Beispiele für weitere Haftungen
An zivilrechtlichen Haftungen existieren u. a. die Haftung wegen Insolvenzverschleppung (§ 69 Insolvenzordnung), die Gesellschafterhaftung (§ 128 iVm § 161 Unternehmensgesetzbuch), die Bürgschaft und die Haftung bei der Arbeitskräfteüberlassung (§ 14 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz).
Auch das Strafgesetzbuch (StGB) beinhaltet einen umfangreichen Komplex an Haftungsbestimmungen: Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit besteht für das Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c StGB), Sozialbetrug (§ 153d StGB) und organisierte Schwarzarbeit (§ 153e StGB).
(Quelle: NÖDIS 5/April 2014)
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