Mehrere Verträge zum selben Arbeitgeber

In der NÖDIS April 2014 beschäftigt sich die GKK mit der Frage von mehreren Vertragsverhältnissen zum selben Arbeitgeber:

Wie ist es aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht zu beurteilen, wenn ein Dienstnehmer für seinen Dienstgeber mehrere Tätigkeiten ausübt: Mit dieser Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bereits mehrmals auseinandergesetzt, so z. B. in seinem Erkenntnis vom 2.4.2008, Zl. 2005/08/0132.

Ein Dienstnehmer vereinbarte mit seinem Dienstgeber, neben seiner Tätigkeit als Tischler auch verschiedene Produkte der Tischlerei Kunden anzubieten und zu verkaufen. Dafür erhielt er getrennt von seinem Gehalt Provisionen für jeden vermittelten Verkauf auf Basis eines diesbezüglich abgeschlossenen Werkvertrages. Auf der Homepage des Dienstgebers wurde er als Teil von dessen "Team" und als Kundenberater auch bildlich dargestellt.

Weiters war der Dienstgeber damit einverstanden bzw. daran interessiert, dass der Tischler während seiner Arbeitszeit von potentiellen Kunden erreicht werden konnte. Zudem warb der Tischler nicht nur Neukunden an, sondern er vermittelte auch an bestehende Kunden Zubehör, Pflegemittel und sonstige Accessoires.
Verschränkung

Nach Ansicht des VwGH konnten die beiden Tätigkeiten als Tischler und Verkäufer schon allein wegen der zeitlichen, aber auch auf Grund der inhaltlichen Verschränkung der Vermittlungstätigkeit mit dem Dienstverhältnis nicht getrennt beurteilt werden.

Gestattet der Dienstgeber einem Dienstnehmer (abweichend von bestehenden dienstvertraglichen Regelungen) mit dem Dienstverhältnis selbst in innerem Zusammenhang stehende Aktivitäten nicht nur außerhalb seiner Arbeitszeit, sondern auch innerhalb derselben, liegt eine zeitliche und inhaltliche Verschränkung vor. Dabei genügt es nach der Rechtsprechung für die Annahme einer zeitlichen und inhaltlichen Verschränkung, wenn ein Dienstnehmer einen zwar nicht abschätzbaren, aber jedenfalls nicht bloß geringfügigen Teil seiner Dienstzeit mit Zustimmung des Dienstgebers für eine Tätigkeit verwendet, die vom selben Dienstgeber durch Zahlung von Provisionen zusätzlich honoriert wird.

Im konkreten Fall waren somit die Provisionen, die der Tischler dafür erhielt, dass er in seiner Freizeit den Verkauf von Einrichtungsgegenständen vermittelte, von seiner herkömmlichen Tätigkeit als Tischler nicht zu trennen und daher der Beitragspflicht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zu unterziehen.

Eine ähnliche Entscheidung hat der VwGH im Fall der Vermittlung von Bausparverträgen durch Sparkassenangestellte getroffen (siehe VwGH vom 13.6.1995, Zl. 94/08/0107). Auch in diesem Fall sah der VwGH eine zeitliche (Vermittlungstätigkeit innerhalb der Arbeitszeit) und inhaltliche (Leistungsinteresse des Arbeitgebers an der Vermittlung) Verschränkung zwischen dem abhängigen Arbeitsverhältnis und der Vermittlungstätigkeit und stellte daher das Vorliegen eines einheitlichen Vertragsverhältnisses (abhängiges Arbeitsverhältnis) fest.

Entgelte, die ein Arbeitnehmer demnach aus zwei nicht trennbaren Tätigkeiten im Betrieb von ein und demselben Arbeitgeber erhält, sind zu addieren; es sind also nicht zwei sozialversicherungspflichtige echte Beschäftigungsverhältnisse gemäß § 4 Abs. 2 ASVG zu ein und demselben Arbeitgeber möglich (siehe VwGH vom 28.4.1988, Zl. 87/08/0032).

Werkvertrag
Allerdings schließt der VwGH das Nebeneinanderbestehen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses und eines Werkvertragsverhältnisses zu einem Dienstgeber nicht aus.

Erbringt ein Dienstnehmer daher zusätzlich zu seinem Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG eine weitere, völlig getrennte und andersartige Tätigkeit auf Grund eines separaten freien Dienstvertrages oder Werkvertrages und besteht zwischen den Tätigkeiten überhaupt kein Zusammenhang, stellen beide Tätigkeiten aus Sicht der Sozialversicherung keine Einheit dar und sind somit getrennt zu behandeln.

Für die Bejahung einer rechtswirksamen Trennung mehrerer gleichzeitig bestehender Rechtsverhältnisse zu einem Arbeitgeber kommt es somit entscheidend auf den Parteiwillen, die objektive Trennbarkeit und auf Überlegungen unter dem Gesichtspunkt arbeitsrechtlicher Schutzprinzipien an (siehe VwGH vom 17.12.2002, Zl. 99/08/0047).

(Quelle: NÖDIS 5 - April 2014)

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